Eine Fliegergruppe ist ein sehr komplexer und leistungsfähiger aber auch sensibler Organismus.
Die Zahl der in der Fliegergruppe ausgebildeten Spezialisten ist immens. Ständig wurden Piloten im Segel- und Motorflug ausgebildet, wenn auch nicht immer in Offenburg, wenn widrige Umstände dies nicht erlaubten.
Fluglehrer und Flugleiter, Werkstattleiter, Motorenwarte, Funk-, Elektronik- und Softwarespezialisten, Tankwarte, Flugzeugschweißer, Sportzeugen, Fallschirmpacker, Windenfahrer, Zellenwarte (diese sind für Reparaturen an Rumpf, Tragflächen, Leitwerk und Fahrwerk zuständig) wurden ständig in überregionalen Kursen aus- und weitergebildet und geprüft. Wie in jedem Verein sind auch Schriftführer, Pressesprecher, Jugendleiter, Hausmeister, Platzwart und Leute für die Bewirtung, Unterhaltung, Information und Fest- Komitees notwendig.
Nicht zu missachten ist auch der enorme organisatorische und unternehmerische Aufwand der Führung einer Fliegergruppe mit Vorstand, Sparten-Referenten, Mitgliederverwaltung, Kassierer, Buchführung und all den juristischen, behördlichen, politischen und versicherungstechnischen Hürden, die schon allein im Normalbetrieb gemeistert werden müssen, ganz zu schweigen von dem Aufwand bei einer Luftfahrtveranstaltung.
Es fordert einen enormen Mut und Aufwand auf allen Ebenen, Fluggeräte sicher in die Luft und heil wieder herunter zu bekommen. Die Geländepflege eines Flugplatzes fordert den ganzen Einsatz aller Mitglieder, die Wartung der Fluggeräte eine hohe fachliche Kompetenz, Engagement und Gewissenhaftigkeit.
Dieser Aufwand ist entweder mit viel Geld, das in der FGO keiner hat, oder aber mit viel Arbeit, Enthusiasmus und Teamgeist zu bewältigen. Deshalb ist die Sportfliegerei kein Hobby im üblichen Sinn, sondern eine Leidenschaft, der man sich mit professionellem Eifer widmen muss. Die besonderen Leistungen und das Engagement Einzelner hier darzustellen und zu würdigen, sprengt den Rahmen dieses geschichtlichen Abrisses.
Die Leistungsbereitschaft, die einem Vereinsmitglied abgefordert wird, fordert den Rückhalt der ganzen Familie.
Viele Kinder sind deshalb hier auf dem Flugplatz in Offenburg in verantwortungsbewusstem Handeln groß geworden, wenn man ihnen die ersten Fahrstunden auf dem Traktor oder dem Rückholfahrzeug gab oder sie den Umgang mit Fluggerät lehrte und betrachten ihn als ihre Heimat.
Auf den ersten Blick wirkt eine Fliegergruppe nicht direkt nützlich für ihre Umgebung. Der Flugsport verbindet nüchternes Kalkül mit Mut, ergreifenden Emotionen und verlässlichen sozialen Bindungen. Als ein Experimentierfeld für technische, unternehmerische und menschliche Entwicklungen beflügelt er nicht nur den Körper, sondern auch den Geist, nicht nur der aktiven Flieger, auch der Zuschauer und Fluggäste.
Die Auswirkungen einer Fliegergruppe auf die Gesellschaftist sind eher indirekt. Einerseits bringen die so ausgebildeten Personen ihre Fähigkeiten auch in ihren Alltag ein, andererseits erwarten hart arbeitende Bürger auch ein erfüllendes Freizeitangebot in erreichbarer Nähe. Eine Fliegergruppe ist damit ein wichtiger Bestandteil einer dynamisch-aktiven und fortschrittsorientierten Gesellschaft.
Etrich-Rumpler-Taube in Offenburg, 1911
Schon vor 1929 gab es wiederholt Versuche, einen Flugplatz in Offenburg einzurichten:
1911 Am 21.Mai macht der Deutsche Zuverlässigkeitsflug mit 9 Flugzeugen (Drahtkommoden) Station in Offenburg auf dem Exerzierplatz.
Aviatik-Zweidecker in Offenburg, 1911
Im Juni macht Helmuth Hirth eine Bruchlandung mit seiner „Etrich-Rumpler Taube“, die zuvor schon beim Zuverlässigkeitsflug mit Bruno Jablonsky hier Station machte.
1919
Der „Bund Deutscher Flieger“ ersucht die Stadt, den Exerzierplatz fliegerisch nutzen zu dürfen. Seither gibt es hier nur noch eine fliegerische Nutzung, wenn auch vorerst nur sporadisch, als Notlandeplatz und für Luftsportveranstaltungen. Im Zeitalter der Zeppeline erhofft sich besonders der Verkehrsverein einen offiziellen Luftschiff-Hafen.
1924
Versuchte die Fliegergruppe Karlsruhe hier einen Flugplatz einzurichten. Weil das vorgesehene Exerzierplatz-Gelände sich aber innerhalb der neutralen 50 km Zone des Versailler Vertrags befand, konnte dies nicht verwirklicht werden. Erst 1929 werden ausnahmsweise 12 Flugplätze innerhalb der neutralen Zone zugelassen, darunter auch Offenburg.
1929
Gründung der Fliegergruppe Offenburg
durch einige flugbegeisterte Offenburger im Zähringer Hof aus einer losen Stammtischrunde. Konkret wurde es mit dem Kauf einer Klemm 25, einer leichten Sportmaschine mit 25 PS, die kostete gerade soviel wie ein Automobil. Mit dem Bau eines „Zöglings“, eines Schulgleiters, Vorläufer der SG 38, in einer Werkstatt in der Hildastrasse begann der Segelflug.
Die Klemm 25
Inoffiziell dürfte der Verein als Flugsport-Interessens-Gemeinschaft und Stammtisch schon wesentlich älter sein, durch das Flugverbot der Nachkriegszeit schien es aber wohl aussichtslos konkretere Schritte einzuleiten.
Die ersten Offenburger Flieger, noch vor Gründung der Fliegergruppe, waren wohl Piloten aus dem ersten Weltkrieg und der Zeit davor: Max Kammerer, Albert Leicht und Willi Kistner. Erst 10 Jahre nach dem ersten Weltkrieg, nach Aufhebung des Flugverbots aus dem Versailler Vertrag, erwarben Alfred Rubi, Georg Kasper und Karl Spitzmüller den Flugschein.
Geflogen wurde noch in Freiburg und auf dem Baldinger Hang oder auf dem Wartenberg auf der Baar. Die Aktiven waren am Sonntag um 5 Uhr (früh!) mit dem Fahrrad an Ort und Stelle! Gestartet wurde am Hang mit dem Gummiseil, die Flugzeiten wurden in Sekunden gemessen und das Fluggerät von Hand wieder auf den Hügel gezogen.
In Offenburg wurde das Fliegen wegen der Lage an der Entmilitarisierten Zone erst ab 1930 in kleinen Schritten zugelassen.
In den 30er Jahren veranstaltet die Fliegergruppe Flugtage mit Kunstflugvorführung im Verbandflug von Ernst Udet und Fallschirmabsprüngen.
Auch flugbegeisterte Gruppen aus den Renchtal, Kinzigtal und Hanauer Land nutzen den Flugplatz abwechselnd und in der Gemeinschaft.
1933
werden die Geräte und Einrichtungen aller Fliegergruppen in Offenburg von den Nationalsozialisten zum Deutschen Luftsportverband, Ortsgruppe Offenburg gleichgeschaltet.
1934
bekommt Offenburg einen Flugplatz mit Hangar, erbaut mit Spendenmitteln und in Eigenleistung der Flieger, die Zahl der Fluggeräte nimmt zu, Schulgleiter vom Typ SG 38, ein doppelsitziger Kranich und eine MÜ-13, sowie mehrere Grunau-Babys tauchen auf Fotos auf. Der Flugplatz hat aber noch keine allgemeine Betriebs-Genehmigung. Der Hangar steht 10m weit in der Entmilitarisierten Zone, was zu erheblichen Schwierigkeiten mit den Behörden führt.
1935
fordert das Luftverkehrsamt Stuttgart die Errichtung eines Flugleitungs-Gebäudes für die Luftpolizei und genehmigte den öffentlichen Flugbetrieb unter der Bedingung, dass ein Flugleiterdienst eingerichtet wird.
1939
Während eines Fluglagers wird ein Pilot in eine Gewitterwolke mit starkem Hagel gezogen. Er springt mit dem Fallschirm aus dem „Baby“ ab. Das Flugzeug ist am nächsten Morgen repariert und der Pilot wieder einsatzbereit.
1941
Die Flieger erhalten einen Pachtvertrag über ihr Gelände. Im Krieg wird der Flugplatz bei Alarm durch die Straßburger Fliegerschule und noch bis 1944 für Segelflug genutzt.
1944
Der Flugplatz wird mit Sperreinrichtungen unbrauchbar gemacht und wegen der Nahrungsmittelknappheit zur landwirtschaftlichen Nutzung frei gegeben, später dann von den Alliierten als Panzerübungsgelände zerpflügt.
1950
Die Fliegergruppe formiert sich aus einer „Interessen- Gemeinschaft Segelflug“ und bemüht sich um Wiederzulassung, als erste Gruppe in Baden. Den Deutschen ist das Fliegen und der Besitz von Flugzeugen untersagt, die alten Fluggeräte gingen verloren.
Schülerin und Lehrer nach erfolgreichem Alleinflug auf SG-38, 1951
Als die russischen Besatzungsbehörden in der Ostzone das Segelfliegen wieder gestatten, ziehen auch die Westalliierten und der Bundestag nach. Ein Grunau Baby, ein einfaches Segelflugzeug aus einem Stoff- bespannten Holzgerüst und eine Seilwinde auf einem Anhänger werden in Erwartung der Zulassung in einer Garage in der Zeller-Straße beim Finanzamt bereits gebaut. Einige Motorflugzeug-Piloten erhalten ihre Fluglizenz im benachbarten Ausland.
1951
Zuerst wird ein Deutscher Modellflugtag genehmigt und veranstaltet, dazu muss der Hangar, der inzwischen als Schafstall diente, ausgemistet und wieder hergerichtet werden. Der Segelflug und die Fliegergruppe werden durch die französische Besatzungsmacht auch wieder zugelassen und der Flugplatz wird in Eigenleistung eingeebnet und trockengelegt. Von den französischen Truppen wird er immer noch als Panzerübungsgelände genutzt und bleibt in einem erbärmlichen Zustand.
Baby im Bau vor der alten Halle, 1951
Ein Lahrer Flugschüler fliegt mit einem SG 38 Schulgleiter auf dem Flugplatz in Offenburg gegen einen französischen Militär- LKW. Nachdem der französische General daraufhin den Offenburgern das Fliegen verbieten will, kann der Fluglehrer dem General nachweisen, dass um den ganzen Flugplatz Absperr-Schilder auf deutsch und französisch angebracht waren, wie von den Behörden gefordert. Ab diesem Tag unterließen die französischen Militärs ihre Fahrübungen auf dem Flugplatz, mit welchen sie den Flugbetrieb behindert und die Landebahn immer wieder zerstört hatten.
1953
Mehrere SG 38 Schulgleiter werden in allen Gruppen, die in Offenburg fliegen, nach Bauplänen selbst gebaut, darunter auch einer mit „Boot“ Verkleidung um den Pilotensitz.
1952
wird ein zweites Grunau Baby III fertiggestellt.
1955
wird auch das Motorfliegen wieder zugelassen, in Offenburg allerdings nur mit einer permanenten Außenladegenehmigung des Regierungspräsidiums Freiburg.
Die Tiger Moth von der Royal-Airforce aus England ist eingetroffen, 1958
In Offenburg fliegen inzwischen mehrere Fliegergruppen, aus Oberkirch, Lahr und dem Kinzigtal in einer Schulgemeinschaft. Die Geräte und Fluglehrer werden untereinander ausgeliehen.
Wegen der Elektrifizierung der Bahnstrecke darf aber bald kein Windenstart mit dem Stahlseil mehr durchgeführt werden, die Segelflieger verleihen die Winde nach Kehl und pendeln zwischen Kehl, Karlsruhe-Forchheim, Freiburg und Strasbourg, wo sie auf einem einsitzigen L-Spatz und dem doppelsitzigen Bergfalken die Flugzeug-Schlepp-Berechtigung erwerben. Ein Schleppflugzeug muss gekauft werden, um weiterfliegen zu können.
1958
wird in England von der RAF das erste Motorflugzeug der FGO nach dem Krieg, eine „Tiger Moth“ gekauft, ein Doppeldecker, mit dem auch leichte Segelflugzeuge geschleppt werden können. Mit der Burda Staffel und der Jodel von Frieder Burda sind nun 5 Motor-Flugzeuge in Offenburg stationiert. Insgesamt werden im Segelflug 1737 Starts mit 405 Stunden geflogen. Die Motorflieger beteiligen sich erfolgreich an zahlreichen Deutschlandflügen, ein Wettbewerb des Navigations- und Geschicklichkeitsfluges, der auch immer in Offenburg Station macht.
Segelflugbetrieb auf dem alten Flugplatz (heute Ponyhof),
Bergfalke, Ka6, Ka8 und Tiger Moth, Startleitung, mit Blick auf das Hohe Horn
In den 60er Jahren werden eifrig Flugtage organisiert, viele berühmte Piloten besuchen Offenburg. Die Segelflugzeuge werden nun eher gekauft als selbst gebaut.
Elli Beinhorn kommt mit der Burd-Staffel nach Offenburg
Die Flugleistungen im Segelflug steigen sprunghaft an, besonders in den Fliegerlagern in den Alpen werden sehr lange Flüge und große Höhen erreicht, aber auch im Schwarzwald verbessern sich die Leistungen: Flüge bis nach Landshut und Höhen von 7000m werden möglich.
Das Geld für die Flugzeuge wird durch Blutspenden, Papiersammelaktionen, Flugtage und Spenden beschafft. Repariert und gewartet wird in der eigenen Werkstatt. Fallschirme werden noch von der Bundeswehr ausgeliehen.
Der Windenstart wird 1962 wieder zugelassen und eine leistungsfähige Winde mit Chevrolet V8 Motor selbst gebaut, so dass die Segelflugausbildung einen Aufschwung erlebt.
Die Motorflieger betreiben die altersschwache Tiger Moth und eine Piper Super Cup, eine leistungsfähigere Schleppmaschine für den Segelflugzeug-Schlepp.
1962
wird eine zweisitzige Jodel im Eigenbau fertiggestellt und „Reblaus“ getauft.
1964
kauft der Verein die ersten Sprechfunkgeräte, 18 Piloten erwerben die Funklizenz.
1965
beginnt auch im Motorflug der Schulbetrieb mit eine Cessna 172 Skyhawk, wie sie der Verein heute noch betreibt.
1968
wurde von der FGO eine neue, zweite Flugzeughalle auf dem alten Flugplatz erbaut.
Die Jodel „Petit-Prince“ vor der Anlage der Fliegergruppe (heute Ponyhof)
In den 70er Jahren besitzen die Segelflieger eine „Ka 6“, ein hölzernes Hochleistungsflugzeug, eine „Ka 7“ als doppelsitzige Schulmaschine und zwei Segler vom Typ „Ka 8“ als robuste Übungsflugzeuge in Holz-Stahlrohr-Bauweise. Die Umstellung auf moderne aber teure Kunststoff-Flugzeuge erfolgt mit dem Kauf eines einsitzigen „Astir CS“ und eines doppelsitzigen „Twin-Astir“ als Leistungsflugzeug. Dazu wird jetzt auch ein Motorsegler betrieben, der mit der Gengenbacher Gruppe in den Verein kommt.
Der neue Tower mit dem Flughafenrestaurant, 1977
Eine sportliche, kunstflugtaugliche „Bölkow Monsun“ und eine Jodel Regent werden von den Motorfliegern für lange Flüge in die Alpen und die Teilnahme an zahlreichen Deutschlandflügen und Wettbewerben benutzt.
1978
wird der neue Flugplatz eingeweiht. Die Schulden der neuen Halle auf dem alten Fluglatz sind gerade getilgt, da muss die Fliegergruppe auf den neuen Flugplatz umziehen und dort wieder eine Halle bauen.
Diese Halle der FGO wird 1979 fertig und eingeweiht.
Für drei Jahre ist wegen der Bauarbeiten kaum Flugbetrieb möglich, doch viele Mitglieder halten durch, bauen ein neues Clubheim und fliegen auf den Nachbarflugplätzen. Auf dem neuen aufstrebenden Offenburger Verkehrslandeplatz mit Asphaltpiste wird die Fliegergruppe nur geduldet. Windenstarts sind auf dem neuen Flugplatz nicht zugelassen. Schleppflüge nach Norden sind ebenfalls untersagt, das führt zu erheblichen Ausfällen bei der Fliegergruppe, die kaum noch Segelflug betreiben kann.
Die Platzrunden
Die ganze Geschichte bei Michael Joachim: